In „Mitgenommen“ erzählt Arnon Grünberg eigentlich mehrere Geschichten, die aber eng miteinander verknüpft sind. Sie spielen in Südamerika, wobei es ziemlich egal ist, in welchem Land genau. Es beginnt in einer Provinzstadt. Das Militär ist mächtig und kämpft gegen Revolutionäre. Major Anthony hat die Aufgabe genau diese zu verhaften. Als bei einem Einsatz ein Ehepaar erschossen wird, nimmt der zeugungsunfähige Soldat deren Tochter einfach mit nach Hause. Das alleine birgt schon genug Konfliktpotenzial. Dann aber bricht der Major zu einer Mission auf, die man nur als Selbstmordkommando bezeichnen kann.
Er lässt seine Frau, die mit sich selbst genug zu tun hat, mit Lina zurück. Diese glaubt nicht, dass ihre Eltern tot sind und macht sie sich auf die Suche nach ihnen. Sie schließt sich kurzfristig einer Gruppe Straßenkinder an und gelangt dann in ein Bergdorf, wo sie einige Jahre als Minenarbeiterin und Kindermädchen arbeitet. Durch die erfolgreiche Teilnahme an einem Schönheitswettbewerb erhält sie die Chance, den sogenannten Dirigenten, einen Rebellenführer, kennenzulernen und schießen zu üben. Sie erweist sich als Talent und wird wieder mitgenommen, lebt dann als eine der Frauen des Dirigenten. Dass das alles wieder nicht gut gehen kann ist klar, aber mehr will ich noch nicht verraten.
Die Handlung ist nicht leicht verdaulich ist und die Protagonisten sind alles andere als liebenswert. Aber irgendwie kann man sie doch nicht hassen sondern eher bemitleiden. Grünberg beschreibt das alles ganz klar und sachlich und das macht auch einen Teil der Faszination aus. Ich wollte immer weiterlesen eben weil das alles so schrecklich ist und weil ich vielleicht auch nie ganz die Hoffnung verloren habe, dass die Protagonisten ein gutes Ende finden. Obwohl die Figuren ihre Menschlichkeit verlieren oder auch schon verloren haben, sind sie so interessant. Der Major lebt streng nach den Grundsätzen des Militärs und für ihn ist es selbstverständlich, dass man auf Kommando töten und lieben kann. Mit Gefühlen hat das für ihn nichts zu tun. Und Lina stumpft ab, bei dem was sie zu erleiden hat. Nachdem sie dann erfährt, dass sie offiziell als tot gilt, fühlt sie sich auch so.
Arnon Grünberg war als Journalist im Irak und in Afghanistan und hat außerdem mit Guerillas, Bergarbeitern und Soldaten aus Südamerika gesprochen. Er weiß also, wovon er schreibt und verharmlost nichts. Das Lesen ist also nicht einfach, aber das Buch ist auch schwer wieder zu vergessen.
Arnon Grünberg: Mitgenommen. Diogenes Verlag, 742 Seiten, 22,90 €.
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