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Who watches the WATCH_DOGS?

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2012 habe ich zum ersten Mal etwas von WATCH_DOGS gesehen, als es auf der E3 vorgestellt wurde. Ich war fasziniert von der computergesteuerten Stadt mit seiner umfassenden Überwachung (im Spiel, nicht im Leben!). Alle digitalen Daten werden dort erfasst und verarbeitet. Hobbies, Finanzen und Bewegungsprofile ergeben eine ansehnliche Datensammlung. Und diese Welt sollte mir als Hacker offenstehen.

Bis zu diesem Sommer hat es dann gedauert, dass ich das Spiel nach einigen Entwicklungsverzögerungen endlich in den Händen hielt. Aber Vorfreude ist ja bekanntlich die größte Freude. Leider hat sich diese bei mir nicht in kompletten Spielspaß verwandelt.

Rachfedelzug dank totaler Überwachung

Die Handlung spielt im fiktiven Chicago einer nicht allzu fernen Zukunft. In dieser Welt bekommt der Hacker Aiden Pearce über sein Smartphone Informationen über alle Menschen, die ihm begegnen. Die Informationsflut wird möglich durch das ctOS.

Initiative Echte Soziale Marktwirtschaft (IESM)  / pixelio.de

Initiative Echte Soziale Marktwirtschaft (IESM) / pixelio.de

Es kontrolliert die ganze Stadt und gibt mir als Hacker die Möglichkeit, meine Mitbürger auszuhorchen und per Überwachungskamera auszuspähen. Auch Ampeln und Brücken können dadurch gesteuert werden und sind ein wertvolles Mittel bei Verfolgungsjagden, von denen es viele gibt.

Das Spiel setzt ein, als Aiden gerade mit seinem Partner Damien ein Hotel virtuell ausraubt und fleißig Geld verschiebt. Blöd nur, dass da plötzlich ein weiterer Hacker im System ist. Damien will ihn finden, Aiden nur abhauen. Er will die Familie seiner Schwester in Sicherheit bringen. Das misslingt deutlich, denn bei einem Anschlag auf ihn stirbt seine Nichte. Dies ist der Ausgangspunkt für seinen Rachefeldzug. Die eigentliche Handlung beginnt, als Aiden Maurice ausfindig macht, den Mörder seiner Nichte. Natürlich will er auch an die Drahtzieher kommen und braucht dafür Hilfe. Die bekommt er unter anderem von Jordi, der ihn vor allem mit Autos versorgt und Clara, die eigentlich zur Hackergruppe „DedSec“ gehört. Gemeinsam finden sie dann weitere Hintermänner und viele, viele Menschen müssen sterben. Später bekommen sie noch Hilfe von T-Bone, der früher bei Blume Industries, den Entwicklern des ctOS gearbeitet hat. Den hätte ich viel lieber gespielt, der ist einfach cooler, hat sich auf einen Schrottplatz am Rande der Stadt zurückgezogen und dort tolle Kampfroboter gebaut.

Wissen ist Macht und in diesem Fall besteht das Wissen aus einer riesigen Datenmenge, die über jeden gesammelt wird und hervorragendes Erpressungsmaterial liefert. Sehr praktisch, wenn man sich als Gang die Polizei vom Hals halten will. Bei den besagten Gangs geht es im Hintergrund der Geschichte auch um Menschenhandel. Das ist so ein Teil der Story, der richtig Spannung aufkommen ließ. Aiden schleicht sich in eine Auktion ein, bei der Frauen versteigert werden. Ist er an ihrer Befreiung interessiert? Nein, er will nur Informationen von einer Anwesenden. Es geht ihm nämlich nur um seine Rache. Und damit wären wir beim größten Problem des Spiels: Aiden Pearce.

Hauptproblem = Hauptfigur

Er entspricht nicht dem Klischeebild eines Hackers und ist physisch sehr fit. Deswegen kann er ja auch jeden Verbrecher zu Fuß einholen. Außerdem bleibt er beim Schwimmen trocken und kann währenddessen telefonieren. Da kann man sich jetzt streiten ob er einfach zu cool für diese Welt ist oder die Entwickler sich wenig Mühe gemacht haben. Aiden Pearce ist eindimensional. Dabei rede ich jetzt noch von seinem Charakter und nicht von der Grafik, die mich auf der Xbox 360 alles andere als begeistert hat. (Das Design an sich hingegen mag ich sehr.) Wenn meine Figur von seinem Gegner beschimpft wird und ich denke: „Du hast so recht. Ich bin ein armseliger Wurm, der nicht besser ist als die, die ich bekämpfe und umbringe“, dann ist doch irgendetwas schief gelaufen. Sein ganzes Handeln ist auf Rache aus und dabei ist es ihm egal, wie viele unschuldige Menschen wegen ihm sterben. Bei vielen seiner Gegner findet er nach deren Tod heraus, dass sie selber zu der Tat gezwungen wurden. Mich hat das auf Dauer sehr geärgert, weil ich so wenig Einfluss auf die Handlungen hatte. Ich mag es, wenn ich in einzelnen Situationen entscheiden kann, ob ich gut oder böse handeln möchte. Beim Spielen bin aber auch ich abgestumpft. Aiden kommt nämlich an Geld, indem er es von fremden Konten abzieht und dann einfach am nächsten Geldautomaten abholt. Am Anfang des Spiels habe ich noch neugierig gelesen, was für Menschen mir da begegnen und dann entschieden, ob ich ihnen Geld abziehe. Später war es mir dann egal, ob mein Gegenüber gerade eine Hirntumordiagnose bekommen hat oder in seiner Freizeit gerne Gewaltvideos sieht. Ich brauchte ja Geld für Waffen und Autos, das ist doch verständlich!? Der Gedanke, dass ich mit dieser Methode doch auch anderen mal Geld verschaffen könnte, war schnell verflogen aber ja auch nicht vorgesehen. Man hört die Gespräche der Leute auf der Straße und die wiederholen sich leider irgendwann und ich wollte es nicht mehr hören. Man kann aber auch nicht mit ihnen interagieren, also anrempeln schon, aber eben nicht reden oder sie zu Reaktionen herausfordern. [Ihr habt euch doch bei Fable auch ständig pupsend auf den Marktplatz gestellt, oder?]

Hey, ein Autorennen!

Dann sind da noch die vielen, für meinen Geschmack zu viele, Missionen, die mit Autofahren zu tun haben. Die Fahrzeuge, vom Motorrad bis zum Betonmischer, reagieren alle unterschiedlich. Das merkt man beim Beschleunigen, in Kurven und bei dem Versuch, Hindernisse platt zu fahren. Insgesamt kann das Handling aber nicht mit richtigen Rennspielen mithalten. Um sonst durch die Stadt zu kommen, kann man auch die Bahn nehmen. Mir ist allerdings bei dem Versuch einer Schnellreise das Spiel abgestürzt.

It’s not a feature, it’s a bug

Und das war nicht der einzige Bug. Einer meiner Gegner war plötzlich in einem Container gefangen (ich konnte seine Umrisse sehen) und ich konnte ihn nicht wie gefordert erschießen. Dagegen war der Schütze, der sich die ganze Zeit im Kreis dreht, schon amüsant. Richtig ärgerlich wurde es aber kurz vor Schluss. In der letzten großen Mission, so viel kann ich verraten, muss Aiden durch die Stadt fahren und einen Virus im ctOS installieren. Die Polizei ist ihm auf den Fersen und seine Gegner kontrollieren die Stadt. Perfekt für den finalen Adrenalinkick des Spiels. Könnt ihr euch vorstellen, wie sehr ich mich aufgeregt habe, als ich nach einem Fehlversuch (ich glaube die Polizei hat mich bekommen), nicht am Beginn der Mission weitermachen musste, sondern in der nächsten Szene landete?

Aber es gibt ja auch was Gutes

Kommen wir also schnell zu einem positiven Thema, der Musik. Aiden kann über sein Smartphone Musik hören und auch im Auto das Programm bestimmen. Zur Auswahl stehen langsamere Nummern (Folk, Blues, Jazz, Soul), aber auch schnellere elektronische Musik, Hip Hop und einiges an Punk und Rockmusik. Auch die Hintergrundmusik ist stimmig, wenn sie auch manchmal in komplett harmlosen Szenen verhältnismäßig überdramatisch klingt.

Noch was Gutes? Ich mag es, wenn man wie bei WATCH_DOGS entscheiden kann, der Hauptstory zu folgen oder kleinere Missionen zu erledigen um damit das Tempo selber zu bestimmen. Es gibt Minispiele, bei denen man Münzen sammeln muss, Autorennen gegen Gangs fährt oder virtuelle Aliens abschießt. Ich bin allerdings eher Fan von den Abhöraktionen und dem Scannen von QR Codes, in dem man die Überwachungskamera mit dem perfekten Blickwinkel darauf findet. Andererseits sah man durch die Hacks auch Szenen, in denen ich hätte eingreifen wollen. Aiden Pearce hat das Einfühlungsvermögen eines Toasts, der Selbstmörder sollte ihm also egal sein, aber auf der Straße schlägt sein Radar doch auch bei geplanten Verbrechen aus, wieso nicht hier? Das hätte man hervorragend in das Spiel integrieren können. Immerhin waren diese kleinen Aufgaben auch mal eine kleine Herausforderung. Es hat mich nämlich ebenfalls enttäuscht, dass ich so wenig denken musste. Es heißt zwar manchmal: töte alle oder fliehe und die Flucht ist ziemlich einfach, aber sehr oft artet das Missionsfinale einfach in Geballer aus. Komplizierte Fluchtpläne sind hier nicht gefragt. Da haben mir die Bilderrätsel in Assassin‘s Creed schon mehr Kopfzerbrechen bereitet. Bei den Hacks muss man oft Verbindungsstücke in einem Netz drehen, damit die Daten richtig fließen können. Selten läuft dabei ein Zeitlimit und selbst das ist so großzügig, dass ich so gut wie nie einen zweiten Versuch brauchte. Und es bleibt beim Hacken per Knopfdruck.

Aiden schlägt sie alle. Tot.

Was die Gewalt angeht: Es ist ja nicht so, dass ich mich mit der Xbox nicht gerne durch die Gegend metzeln und morden würde. Aber hier hatte ich einfach etwas anderes erwartet. Immerhin konnte man per Überwachungskamera Explosionen auslösen und Granaten per Smartphone zünden. Ich habe mich auch immer gefragt, wieso Aiden Pearce die verhinderten Verbrecher (Minority Report lässt grüßen) immer gleich umbringen muss. Er schlägt mit seinem Stock zu und es sieht nicht so aus, als würden die Gegner jemals wieder aufstehen. Natürlich kann man auch eine Waffe ziehen, aber die Gegner sind wirklich langsam und außerdem vermeidet ihr so die seltene Situation aus, dass sich die Polizei mal für euch interessiert.

Fazit

Vielleicht lag es an meinen hohen Erwartungen. Zwischendurch habe ich das Spiel einige Wochen liegen lassen und mich dann doch noch durchgerungen es zu beenden. Ich würde es als netten Zeitvertreib, das meinem Nervenkostüm manchmal arg zugesetzt hat.
Apropos: Es gibt Klamottenläden und dann kann man einfach immer nur die Farbe und das Muster von Aidens Kleidung ändern? Mehr Spaß machen die vielen Läden, in denen man die singenden Fische starten kann.
Also Ubisoft, wenn ihr eine Fortsetzung macht: Es ist noch reichlich Luft nach oben da, macht mehr aus der tollen Grundidee! Ich gebe die Hoffnung nicht auf.

Mein WATCH_DOGS für die Xbox 360 bekam ich als Rezensionsexemplar für CT dasradio.

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